Vielleicht das letzte Aufbäumen des Kinos...?
von #BARBENHEIMER, Menschlichkeit und Grusel-Puppen
Es ist Montag, 15:00 Uhr und das hier
ist ein Brief von mir an dich.
Danke fürs Öffnen und Lesen.
Felix
etwas aus…
meiner Kamera
Aufgenommen am 23.07.2023 um 5:55 Uhr
Melina ist auf dem Weg zum Frühdienst. Ich bin vorgelaufen um sie zu fotografieren. Diese seltsame Situation allein ist es schon wert. „BIS SPÄTER“ rufen wir uns nach.
dem Film
Es war ein großes Wochenende für den Film. Vielleicht das letzte große Aufbäumen des Kinos. Warner und Greta Gerwig schicken „Barbie“, Universal und Christopher Nolan „Oppenheimer“ ins Rennen. Auch das Internet bekommt sich im Vorhinein kaum noch ein: #BARBENHEIMER
Aber war es das alles wert?
Melina und ich starten mit „Oppenheimer“ am Freitag. 20:30 Original-Version, Kino gut gefüllt, mehr Männer als Frauen. Es geht um den Wissenschaftler Robert Oppenheimer, der das Manhattan Projekt, also die Entwicklung der Atombombe leitet, und die Folgen.
Wer trägt die Verantwortung? Fanatismus, Patriotismus, Überheblichkeit.
Die Menschheit kann mit dieser Kraft nicht umgehen, der kalte Krieg und das seitdem immerwährende Aufrüsten sind die Folge. Es ist eine große Geschichte, präsentiert in Bildern, die ich nicht aufhören möchte anzusehen. Ich glaube diesem Film alles. Drei Stunden lang.
Gestern dann „Barbie“ 16:45 Original-Version, Kino fast voll, dieses mal wesentlich mehr Frauen als Männer und auch viele jüngere Mädchen, die wohl zwei Stunden später leicht verwirrt den Saal verlassen werden.
„Barbie“ ist ein Film der die leere, stereotype Plastikwelt der Spielzeugpuppen nutzt um daran die weiter bestehende Benachteiligung von Frauen zu thematisieren. Die Umsetzung (Sets, Struktur und Dialoge) orientieren sich an klassischen Theaterstücken. Alles ist überzeichnet, es wird gesungen, es ist bunt und der Handlung ist leicht zu folgen. Vielleicht ist es also trotzdem etwas für jüngere Kinder…die einfach die kritische Ebene des Films nicht wahrnehmen. Am Ende gehen alle mit einem guten Gefühl. „Es ist ok, nicht immer zu wissen wer man ist“, „Wir sind genug, auch ohne Partner oder passendes Rollenbild“, „Wir müssen uns gegenseitig nichts vorspielen“… Dieser, in großen Teilen, so künstlerisch inszenierter Film strahlt am Ende ganz viel Menschlichkeit aus.
Wenn es nach mir geht könnte jeden Monat #BARBENHEIMER sein. Kino als Event, nicht wie so oft fast allein im Saal sitzen.
Gute Filme auf großen Leinwänden können etwas verändern, können thematisch etwas anstoßen. Wo sonst lässt sich noch ohne Ablenkung einer Geschichte folgen?
meinem Tagebuch
Vom 23.7.2023 20:55 Uhr Sonntag
„Habe das Gefühl ziemlich wenig geschafft zu haben. Aber das ist dann auch in Ordnung. Wie geht es weiter? Was sind Projekte? Wie finde ich wieder mehr Sinn? Mehr Bedeutung? Wie immer scheint die Antwort „neue Menschen“ zu sein. Regelmäßiger Kontakt, Austausch und Zusammenarbeit. Ist nicht in Sicht. Also verliere ich mich hier weiter im nichts tun.“
den Kopfhörern
Popmusik ist in der heutigen Zeit häufig weniger experimentell als in den 70ern und 80ern. Das wird deutlich wenn man vergleicht wie viele Nummer eins Hits heute und damals Tonart-Wechsel hatten. Es fehlt der Überraschungsmoment, die Herausforderung beim Zuhören.
Wer mal aus der vorhersagbaren Masse herauskommen möchte, hört das neue Album von „Greta van Fleet“, nicht unbedingt Pop, dafür voller mutiger Wendungen, Dissonanzen, Ideen und Experimente. Man weiß nie was hinter dem nächsten Refrain lauert. Wie gewohnt erinnert „Starcatcher“ an Led Zeppelin…aber es ist so viel mehr. Es ist eine wohltuende Abwechslung…die so viel menschlicher klingt als alles im Radio. Diese Drums am Anfang von „Sacred The Thread“… ich bekomme bei sowas Gänsehaut.
mir
Gerade verkaufe ich ein Familien-Erbstück, eine Puppe aus den 1920er Jahren, die nur herumsitzt und gruselig aussieht. Die Nachfrage auf Ebay ist trotzdem da und der Preis nach einem Tag viel höher als erwartet.
Wir alle sollten mit dieser Art von Geld, sehr bewusst umgehen, egal wie groß die Summe ist. Damit meine ich, dass wir es in etwas investieren, das einen Unterschied in unserem Leben machen kann…etwas das uns weiterbringt.
Es ist ein Wert der sich über Jahre aufgebaut hat, der vielleicht mit persönlichen Entbehrungen verbunden war, und es ist zu schade ihn für einen neuen Fernseher oder eine Kreditrate fürs Auto auszugeben.
Ohne Zweifel ein Privileg überhaupt etwas erben zu können…von etwas zu profitieren, das nicht wir, sondern andere uns ermöglicht haben.
„Erben“ ist häufig eine Chance für das eigene Leben.
Ich selbst war bei ähnlichen Gelegenheiten häufig, viel zu oft, viel zu leichtsinnig.
Nächsten Montag: Gleicher Ort, gleiche Zeit.
Wenn du möchtest antworte mir auf diesen Brief.
hochachtungsvoll
dein Felix