Es ist Montag, 15:00 Uhr und das hier
ist ein Brief von mir an dich.
Danke fürs Öffnen und Lesen.
Felix
etwas aus…
meiner Kamera
Aufgenommen am 29. Juni 19:01 vor bedruckter Pappe
Das Kino in dieser Art und Weise wird sterben, und mit ihm ein Gefühl, nach dem sich in einigen Jahren alle sehnen werden. Das „Thalia/Hollywood“ in Wiesbaden ist mein Lieblingskino. Gutes Popcorn, gute Preise, der Saal verströmt 80er Jahre-Charme (passend zu Indiana Jones).
dem Film
Nachdem er von Disney schon 2016 angekündigt wurde, lief am 29.06. ein Film an, den heute eigentlich niemand braucht. Aber da starke Markennamen, auf das geldgierigste aller Studios die gleiche Wirkung haben, wie „Fast-Lane-Pässe“ und ausgebuchte Kreuzfahrtschiffe, kommt jetzt „Indiana Jones and the Dial of Destiny“ in die Kinos. Also sitzen wir am Premierentag im „Hollywood“… und weil „English Movie Day“ ist, zusammen mit vielleicht 20 Amerikanern und ein paar Deutschen. Der sich verhaspelnde Eis-Verkäufer bekommt beim Abgang Applaus, nachdem jemand „FOR THE ICECREAM-MAN“ ruft. Dann geht’s los.
Natürlich ist alles dabei was „Indi“ ausmacht… Verschollene Artefakte, ein begabtes Kind, ein (mittlerweile sehr alter Mann) mit Hut und Peitsche und Nazis.
Dieses Mal wird die Handlung rund um die Antikythera, ein vom griechischen Mathematiker Archimedes erdachter mechanischer Kalender, gestrickt, der im 5. Indiana Jones natürlich nicht nur ein Kalender ist. Und wie für einen Film, der die Zeitreise aus den 80ern überstanden hat, üblich, sind die Protagonisten entweder zur genau richtigen Zeit am richtigen Ort oder genau anders herum. Das sorgt nicht nur einmal für Stirnrunzeln.
Und ganz ehrlich: Ich will dem Film ja vieles durchgehen lassen... allein schon für den 80 jährigen, sich quälenden, Harrison Ford, für Phoebe Waller-Bridge (die geniale Schreiberin und Schauspielerin von Fleabag), für Explosionen, für Verfolgungsjagden, für Nostalgie, für…
Nein, tut mir Leid, ich kann es nicht.
Dieser Film spiegelt das Hin und Her der Produktion wider. Erst sollte es Spielberg machen, während George Lucas produziert, daraus wurde nichts. Noch schlimmer war es beim Drehbuch. Niemand war zufrieden, weshalb insgesamt mehr als 6 Drehbuchautoren (alles ältere Männer) ins Projekt geholt und teilweise wieder entlassen wurden. Zufrieden war vermutlich immer noch niemand aber wenn dein Hauptdarsteller schon mal 80 ist, dreht sich das „RAD DES SCHICKSALS“ natürlich etwas schneller…tut mir Leid, der musste sein.
Für welche Zielgruppe ist der Film? Für wen ist das wirklich nostalgisch? Vielleicht für:
“Frank, der 1981, bei der Premiere des ersten „Indis“ zehn Jahre alt war, und heute 52. „Schatz, wir könnten doch mal wieder ins Kino, da läuft jetzt Indiana Jones“ sagt er zu seiner Lebensgefährtin Monika. Beide waren das letzte Mal bei „Titanic“ im Kino, damals noch mit ihren Ex-Partnern. Heute freuen sie sich darauf, den 80 Jährigen Harrison Ford in seiner Parade-Rolle zu sehen. “
Viel Spaß Frank und Monika.
Alle unter 50 bleiben bitte zu Hause und schauen irgendwas auf Netflix oder Prime („Air - der große Wurf“- mit Matt Damon und Ben Affleck ist empfehlenswert für alle die Filme wie „Moneyball“ mögen). Hoffentlich merkt Disney dann am Einspiel-Ergebnis, dass das keine gute Idee war. Das mit dem zu Hause bleiben war nicht ernst gemeint… bitte ins Kino gehen! (Bald läuft Oppenheimer)
meinem Tagebuch
Vom 1.7.2023 20:31 Samstag
„Die beiden berühren sich schon längst nicht mehr, und ich meine nicht körperlich. Sie geben sich gegenseitig nichts mehr, sie nehmen nur noch. Das ist traurig. Am Ende ist keine Zeit und keine Liebe mehr da um das zu genießen was man sich aufgebaut hat.“
den Kopfhörern
Große Filme entstehen durch die Zusammenarbeit großer Künstler. Jeder oder Jede in einem anderen Bereich. Roger Deakins, mittlerweile 74, ist einer von Ihnen; einer der bekanntesten und begabtesten Kameramänner Hollywoods. 15 mal für den Oscar nominiert, zwei davon hat er gewonnen (Bladerunner 2049, 1917)
Warum erwähne ich das? Weil dieser Mann und seine Frau James (die als Script Supervisorin an allen Projekten von Roger beteiligt ist) mit TEAM DEAKINS (Apple | Spotify), einen Podcast produzieren, in dem sie mit den Besten aller Hollywood-Disziplinen lange Gespräche führen. Zu Gast sind Produzenten, Regisseure, Kameraleute, Set-Designer, Sound-Mixer, Schauspieler, und andere… Ein Einblick hinter die Kulissen, der für alle Film- und Kamera-Nerds ein absolutes Muss ist.
Warum schreibe ich heute davon? Weil in der aktuellen Folge Matt Reeves zu Gast ist. Der ist zum Bespiel Regisseur von „The Batman“ , Cloverfield oder den letzten beiden „Planet der Affen“-Filmen. Es geht ums Filme-Machen als Kinder, um kommerzielle Flops, um die Kunst eines „Low-Budget“-Katastrophen Films, Angst und vieles mehr. Ein fantastisches Gespräch, das nur funktioniert weil die Drei wissen von was sie sprechen und immer weiter voneinander lernen wollen…und wir können zuhören…umsonst. In diesen Momenten liebe ich die heutige Zeit.
Andere Lieblingsfolgen: Bob Yeoman (Kameramann aller Wes Anderson Filme) , Martin McDonagh (Drehbuchautor und Regisseur) Cillian Murphy (Schauspieler)
mir
Menschen gestehen sich nur sehr ungern Fehler ein. Dafür können wir nichts, das liegt in unserer Natur. Häufig sorgt diese Eigenschaft aber dafür, dass wir nicht loslassen können. Etwas, in das wir Zeit oder Geld investiert haben darf nicht sterben, es muss durch noch mehr Zeit und Geld am Leben gehalten werden. Das ist nicht nur im persönlichen Leben schwierig, sondern auch gerade dann wenn große CEO’s aus Stolz und Selbstüberschätzung ganze Firmen an die Wand fahren (wie Elon bei Twitter - auch wenn der am 5. Juni Linda Yaccarino an die Pseudo-Spitze gesetzt hat)
Auch Indiana Jones 5 ist vermutlich so ein Fall.
Die Wirtschaftswissenschaft nennt diese Art von Fehleinschätzung „Versunkene Kosten“.
Schauen wir auf unser Leben, entdecken wir einige dieser persönlichen Schiffswracks, die wir immer noch versuchen zu bergen… Vielleicht Jobs, Beziehungen und Freundschaften, Fähigkeiten?… all das was Zeit und Aufmerksamkeit „gekostet“ hat. Aber das ist das Leben oder?
„Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind nicht unbedingt der Ansicht, der neue Vorstandsvositzende wäre kompetenter als sein Vorgänger. Aber sie wissen, dass er nicht dieselben mentalen Konten führt und daher besser in der Lage ist, bei der Beurteilung aktueller Geschäftschancen die versunkenen Kosten vergangener Entscheidungen zu ignorieren.”
Schnelles Denken, langsames Denken - Daniel Kahneman S.425
Nächsten Freitag: Gleicher Ort, gleiche Zeit.
Wenn du möchtest antworte mir auf diesen Brief.
hochachtungsvoll
dein Felix
Hör mal…deine Review zu Indiana Jones teile ich leider nicht. Ein sehr unterhaltsamer Film ☝🏻