Gleichberechtigung oder steht Papa meistens dann doch einfach nur im Weg?
#50 Wenn Mamas Elternzeit endet...
“Wir teilen uns den Vollzeit-Job auf, jeder von uns zwanzig Stunden… dann ist jeden Tag der Woche eine*r von uns zu Hause und mit dem Geld passt es einigermaßen...” So ähnlich antworten wir, wenn wir gefragt werden, wann unsere, fast einjährige, Tochter denn in die KiTa geht.
Von Müttern kommt da immer viel Zustimmung. Die wissen wie viel, oft unterschwellige, Arbeit das “Da-Sein”, das Kümmern bedeutet. Und “Da-Sein” muss man eigentlich ständig.
Halbtags zu arbeiten schafft mehr Pausen, mehr Raum für anstehende Arbeiten und weniger Stress. Den Text schreibe ich zum Beispiel gerade, auf einem Gymnastikball sitzend, mit Ruby in der Trage. Melina läuft auf dem Laufband, geht duschen oder macht irgendwas anderes. Es ist das Mindestmaß an Zeit für sich. Ich habe davon mehr als sie.
Aber was kann ich als Vater einer Einjährigen überhaupt beitragen?
Ich bin, selbsternannter, Ausscheidungs-Beauftragter, der die Sache etwas zu ernst nimmt. Ich habe die Kleine früh auf ein Töpfchen “abgehalten”, jetzt ist es der Toilettengang auf einem Sitzverkleinerer. Das ganze ist, wenn man es denn will, eine Wissenschaft für sich (nach dem Aufstehen und Trinken sind die Intervalle kürzer, richtung Abend werden die Abstände länger) Ich hatte zeitweise den Timer des Backofens genutzt um das nächste Wasserlassen zu signalisieren. Jedes Mal wenn das Ding piepste krabbelte die Kleine konditioniert und kopfschüttelnd vor mir weg. Das habe ich dann sein lassen. Pluspunkte sammelt man damit als Vater nicht… Melina stört das exzessive daran…
Ich fungiere als Senior-Portfolio-Manager des Kinder-Depots und verbringe gedanklich viel zu viel Zeit damit. Auch da ist eher erst langfristig mit väterlichen Sympathien zu rechnen.
Ich dokumentiere und archiviere Rubys Aufwachsen. Fotos und Videos aufnehmen, zusammenschneiden und mit der Familie teilen.
Aufgaben im Haushalt übernehme ich, solange es nicht zur über-deutlichen Diskrepanz in der Ausführung kommt. Ich nutze grundsätzlich für jede Reinigungssituation entweder Küchenrolle oder Desinfektions-Einmaltücher…(schon beim Schreiben des Satzes, spüre ich wie Melinas Puls steigt)
Mittagsschläfchen in der Trage. Maximal zweimal am Tag. Bis zum 8. Lebensmonat konnte ich draußen unterwegs sein. Mittlerweile schläft sie bei Spaziergängen zu kurz und unruhig.
Ich koche, aber auch das ist ein Spannungsfeld. Oft zu viel Fett und zu wenig ausgewogen…außerdem vergesse ich regelmäßig das salz-freie Kinderessen mitzuplanen. Zugetraut wird mir alles mit Kraut.. z.B. “Räuchertofu-Schupfnudel-Sauerkraut-Pfanne” oder die Zubereitung von Wirsing. Das schlimmste ist dabei nicht das Kochen sondern der Umgang mit den benötigten Utensilien. Für jedes Probieren nutze ich einen neuen Tee-Löffel, für jedes Anrühren eine neue Schüssel. Die Küchenmaschine ,inklusive aller Aufsätze, läuft gerne auch bei Kleinst-Mengen. Gespült wird erst am Schluss. Das bringt Melina an den Rand der Verzweiflung.
Ich unterstütze bei Einkäufen und Kinderarzt-Besuchen. Wir waren bis jetzt zu jeder Untersuchung und Impfung gemeinsam in der Praxis.
Der Grat zwischen väterlicher “Unterstützung” und Behinderung ist oft schmal… Wir handeln in unterschiedlichen Grundsätzen, es entsteht Spannung, Streit. Kompromisse sind nötig.
Alles besser als alleingelassen und überlastet die Fassung zu verlieren.
Ab dem 17. November geht Melina wieder zwei Tage die Woche arbeiten. Das Jahr Elternzeit ist vorbei. Lust darauf hat sie nicht. Auch weil sie spürt wie bedürftig Ruby noch ist, wie gebunden Kind an Mutter und Mutter an Kind.
Bald heißt es aber trotzdem “Montag und Dienstag mit Papa” und ich habe scheiße Angst davor.
Ich bin zwar “pädagogische Fachkraft” (schlimmes Wort)… aber vor den Längen des Tages, der fehlenden Mutter-Milch, meiner testosteron-geladenen Über-Reaktionen (dann schiebe ich Ober- und Unterlippe in die Mundhöhle, presse die Schneidezähne aufeinander und halte als Lippenloser die Luft an bis es abklingt) schützt mich auch das nicht.
Ich denke an Grabbelkreise, Besuche bei meinen Eltern und Gehörschutz (für mich) um diesen beiden Tagen entgegenzutreten. Eine Rüstung der Geschäftigkeit. Die ganze Sache könnte im Aushalten enden.
Aber warum es darauf ankommen lassen? Warum arbeite ich nicht einfach mehr und lasse Melina Mutter sein?
Hat das mit Gleichberechtigung zu tun? Oder mit Egoismus?
Natürlich will ich meinen Teil beitragen, dabei Melina entlasten und ermutigen wieder einen kleinen Schritt in die Abwechslung des Berufslebens zu machen… erstmal kein unsinniger Gedanke, der aber nur Sinn macht wenn sie sich das wünscht .
Der größte Punkt ist dieser kleine Mensch selbst;
Das, so oft für mich reservierte, Kopfschütteln.
Dieser drahtige kleine Körper, der sich auf dem Sofa herumwirft.
Diese großen Augen mit langen Wimpern.
Jedes Wort, jeder Laut, jede Bewegung.
Jedes Kopf an Kopf, jedes lachen, jedes geworfene Tofu-Stück.
Das will ich alles nicht verpassen.
Auch wenn es anstrengend ist, auch wenn es mich häufig überfordert,
bin ich süchtig nach allen Arten kleinkindlicher Beachtung und Direktheit.
Die wird sich verflüchtigen, aber gerade ist sie da.
Und das will ich nicht verpassen.
Ganz schön viel "Ich will”…
Es scheint also Egoismus zu sein.
Aber zumindest aus gutem Grund.
Vielleicht werden am 17. November die Stunden schnell vergehen, alle Angst und Unruhe unbegründet,
und vielleicht sieht die Kleine Mama und Papa etwas früher, etwas gleichberechtigter.
Das wäre ein Gewinn für uns als Familie.
Das würde neue Möglichkeiten eröffnen.
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