Während ich das hier am Montag morgen schreibe, rauschen der Regen vor dem Fenster, die Heizung und der Kühlschrank um die Wette. Die Umstellung auf “Normalzeit” fühlt sich das letzte Mal ungewohnt an, bevor wir wieder alle hoffen, dass es das letzte Mal war, dass wir Uhren umstellen… (Die EU-Staaten können sich seit Jahren nicht einigen, welche der beiden Zeiten abgeschafft werden soll)
Mit Dunkelheit und dem Regen zieht bei mir dieses Jahr pünktlich Schwermütigkeit auf. Ganz unterschwellig, sprunghaft, nichts macht Sinn…alles zu hinterfragen. Dann bin ich nicht nachzuvollziehen, weder von Melina, noch von mir selbst. Nicht “burned-out”, sondern “bored-out”.
Dann beginnt fehlender Selbstwert, die eigene Relevanz in Frage zu stellen.
Dann sehe ich im ARTE-Journal Menschen in Kriegsgebieten und auf der Flucht, die nicht wissen wie sie ihre Kinder ernähren sollen. Hilfsteams sind vor Ort und versuchen das schlimmste zu verhindern.
Und ich suhle mich in einer kleinen, hausgemacht herbstlichen depressiven Verstimmung? Bei vollem Kühlschrank und in beheizten Räumen? Lächerlich.
ALLES in Bezug zu bringen, macht natürlich nur noch unglücklicher…dann wenn ich mir alles verwehrt, einfach weil ich mit meinem Geburtsort Glück hatte, weil ich glaube, nichts verdient zu haben… das lähmt und hilft niemandem.
Was kann ich im kleinen verändern? Wie kann ich meine Energie, die ich sinnlos aufs “Vor-mich-hin-Starren” verwende, für Andere einsetzen? Die Umsetzung wird MUT erfordern und Mut fordert Vertrauen in die eigene Menschlichkeit.
„Ein wesentlicher Bestandteil des amerikanischen Traums ist die soziale Mobilität: Auch wer arm geboren ist, kann es durch harte Arbeit zu Wohlstand bringen. Gemeint ist damit, dass jeder einen gut bezahlten Job finden, sich ein Haus und ein Auto leisten und seinen Kindern eine Ausbildung finanzieren kann … All das ist in sich zusammengebrochen” - Requiem für den amerikanischen Traum - Noam Chomsky
etwas aus…
meiner Kamera
Aufgenommen am 29. Oktober 2023
dem Film
Deutsche Schuld - Namibia und der Völkermord. (ARD-Mediathek)
Aminata Belli reist durch Namibia und spricht mit Menschen über den, von deutschen Kolonialisten begangenen, Völkermord, der zwischen 1904 und 1908,
70000 Menschenleben kostete.
Der Film lässt die Leute vor Ort zu Wort kommen. Es geht um Schuld und Vergebung.
Am Ende verstehe ich etwas besser, wie ein solcher Massenmord, eine Kultur zerstört, an die sich irgendwann fast niemand mehr erinnern kann.
Namibia wurde die Identität genommen…die Spielregeln geändert, Land enteignet… und diese Strukturen bleiben bis heute, auch weil, wie überall auf der Welt, Geld eingesetzt wird um politische Entscheidungen zu beeinflussen und Veränderung zu blockieren. Lohnt sich zu schauen.
meinem Tagebuch
Vom 28.10.2023 - 20:57 Uhr - Samstag
„Hab mir wieder die Haare abgeschoren. Das fühlt sich jetzt, zumindest äußerlich, wieder mehr nach mir an.”
den Kopfhörern
The Gaslight Anthem hat ein “Comeback”-Album veröffentlicht. History Books klingt wenig überraschend…mir fehlt da irgendwie die Energie. Etwas träge und austauschbar. Aber dafür keinen Vorwurf. Das Alter macht es schwerer, innovativ und radikal zu sein.
Was sich immer wieder lohnt ist “SINK OR SWIM” (Spotify|Apple) das Debut-Album der Band. Roh und unpoliert, schnell. Fantastische Songs, die glücklicherweise bleiben und darauf warten von kommenden Generationen gehört zu werden.
Hab eine gute Woche!
Nächsten Montag: Gleicher Ort, gleiche Zeit.
Wenn du möchtest antworte mir auf diesen Brief.
hochachtungsvoll
dein Felix